Die Universität Wien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Die österreichischen Universitäten waren erst durch die Thun'sche Universitätsreform der Jahre 1849-1851 wieder zu Stätten der wissenschaftlichen Forschung geworden (davor waren sie mehr oder weniger bloße Ausbildungsanstalten für Beamte, Ärzte und Priester). Obwohl Thun selbst durchaus konservativ war, lehnte der Episkopat seine Reform ab und so wurden die Universitäten bald zu Hochburgen des Liberalismus und eine positive Einstellung zur römisch-katholischen Kirche (und insbesondere zum I. Vaticanum) galt in akademischen Kreisen als Verrat an der Universitätsidee.

Im Vormärz hatte es keine Studentenverbindungen gegeben, denn Metternich fürchtete, dass solche Zusammenschlüsse Nährboden für revolutionäres Gedankengut wären. Auch im Neoabsolutismus gab es - zumindest offiziell - kein Verbindungsleben. Erst nach 1859 entwickelten sich entsprechende Vereinigungen - zunächst die Corps, denen eher Studenten aus der begüterten Oberschicht angehörten, und die Burschenschaften, die ihr Keilpotential bei den Söhnen der Bauern, Handwerker und kleinen Beamten hatten. Eine antiklerikale Haltung war ihnen gemeinsam. Da die Mehrheit der Studenten damals einer Korporation beitrat, fehlte gewissermaßen für katholische Studenten eine derartige Alternative.

Eine solche bot Austria Wien, die am 21.11.1876 allerdings als Leseverein gegründet worden ist. Die Wandlung in eine farbentragende Verbindung erfolgte schrittweise in den darauffolgenden Jahren. Einigen Mitgliedern der Austria ging diese Entwicklung jedoch zu langsam vor sich und so gründeten zwei Burschen und fünf Füchse der Austria 1883 eine voll farbentragende Verbindung und gaben ihr den Namen Norica.

Die neuen katholischen Verbindungen wurden von den nationalen Vereinigungen nicht gern gesehen. Allein ihre Existenz war im akademischen Kulturkampf für die vom nationalen Freisinn geprägte Universität eine Provokation. Nach außen zeigte sich dieser Kampf im Versuch, den katholischen Verbindungen, die zahlenmäßig absolut in der Minderzahl waren, das Farbentragen faktisch zu verunmöglichen. Namentlich ein Couleurbummel sowie das Chargieren bei Promotionen und den (damals jährlich stattfindenden) Inaugurationen des Rektors wurden mit roher Gewalt bekämpft.

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Die Gründung Rudolfinas am 13. Juni 1898

Am 13.6.1898 befasste sich der BC Austrias mit der Frage, welches Geschenk man Kaiser Franz Joseph zum 50-jährigen Regierungsjubiläum bereiten könne. Dessen allgemeine Vorgabe an derartige Präsente war, dass Werke für die Jugend geschaffen werden sollten. Auf dem genannten BC schlug der AH Professor August Maria Kemetter vor, als Geschenk eine neue Verbindung zu gründen, die die katholische Sache an den Universitäten stärken sollte.

Als Namenspatron fungierte Herzog Rudolf IV der Stifter, der 1365 die Universität Wien gegründet hatte. Die Farben der neuen Verbindung wurden mit gold-weiß-rot festgelegt; Vorlage waren die päpstlichen Farben weiß-gold und die österreichischen Farben rot-weiß-rot. Für das Fuchsenband wurde rot-weiß-rot gewählt. Als Wahlspruch der Verbindung wurde "Nec aspera terrent!" ("Auch Widerwärtigkeiten schrecken nicht!") gewählt, was auf die schon geschilderten Zustände auf dem Boden der Wiener Universität gemünzt war. Austria entsandte sechs Gründungsburschen: Rudolf Gschladt, Robert Jiresch, Ludwig Maly, Karl Raimund Müller, Josef Prinz und Franz Wlcek.

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