Reaktivierung und Entnazifizierung

Die Verhältnisse an der Universität hatten sich nach dem Zweiten Weltkrieg - im Vergleich zu den Verhältnissen vor dem Ersten Weltkrieg und der Zwischenkriegszeit in zwei wesentlichen Punkten geändert: Zum einen war die deutliche Mehrheit der Studierenden nicht mehr korporiert. Zum anderen gab es nach 1945 keinen national-freiheitlichen akademischen Kulturkampf. Das Aufzugsrecht des CV an den Universitäten wurde nunmehr von anderer Seite - den Sozialisten - in Frage gestellt, die sich gleichermaßen gegen katholische als auch nationale Korporationen aussprachen.

Am 18.5.1945 wurde im Pfarrhof der Votivkirche der erste BC nach der Befreiung abgehalten; zu diesem wurden nur jene Bundesbrüder eingeladen, die auch während des Krieges an den Veranstaltungen teilgenommen hatten. Auf diesem BC wurde eine Sichtungskommission und ein Verbindungsehrengericht eingesetzt, die zu überprüfen hatten, ob ein Verbindungsmitglied, das während der vergangenen Jahre die Prinzipien verletzt hatte, ausgeschlossen werden sollte. Diese Sichtung dauerte bis 1948 an und trotz genauer Überprüfung von Verfehlungen und einer inhaltlich strengen Behandlungen, musste nur ein geringer Prozentsatz ausgeschlossen werden.

Die Verbindung musste sich erneut um eine Bude umsehen und fand in einem kriegsbeschädigten Haus in der Ebendorferstraße 6 ein neues Heim, das allerdings erst in Stand gesetzt werden musste. Am Beginn des SS 1946 konnte der Verbindungsbetrieb endlich in vollem Umfang aufgenommen werden und das 48. Stiftungsfest wurde am 20.6.1946 bereits in größerem Rahmen (im Künstlerhaus) gefeiert; der Retter der Fahne (Mayer) erhielt das Ehrenband. Im WS 1946/47 fanden die ersten Burschungen jener Füchse statt, die nach dem Krieg zur Verbindung gestoßen waren und der CC des SS 1947 bestand ausschließlich aus der "Nachkriegsgeneration".

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Das Goldene Stiftungsfest (1948)

Der Höhepunkt des 50. Stiftungsfests war der Kommers am 4.6.1948 im Großen Musikvereinssaal. Unter den zahlreichen Gästen befand sich auch Bundeskanzler Leopold Figl (Nc), der bei dieser Gelegenheit ein flammendes Bekenntnis zu den Idealen des CV ablegte. Das Glückwunschschreiben des Hl Vaters konnte nicht rechtzeitig verlesen werden, weil es zu spät eintraf. Und das erste Mal konnten 100-Semester-Bänder überreicht werden - an fünf der zu diesem Zeitpunkt noch lebenden Gründungsburschen. Abgerundet wurde das Stiftungsfest durch eine Festmesse in der Mariahilferkirche und ein Frühlingsfest auf dem Kahlenberg. 

Nunmehr übernahm Rudolfina für das Studienjahr 1948/49 auch erstmals den Vorort im (dritten) ÖCV, wobei nach damaligem Verbandsrecht die Verbindung selbst zum Vorort gewählt wurde und diese dann am BC den VOP selbst bestimmte. Der BC war in zwei Lager gespalten und letztlich wurde Helmut Gnambs als Kompromisskandidat zum ersten VOP Rudolfinas gewählt. Unter dem Vorort Rudolfina wurde 1949 die Cartellfahne geschaffen, die jedoch in den folgenden Jahrzehnten von der CV-Standarte verdrängt wurde und schließlich überhaupt in Vergessenheit geriet. Unter dem Vorort 2007/08 wurde sie restauriert und wird seither von Rudolfina verwahrt.

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Verbindungsleben

Die erste Redoute nach dem Krieg fand 1947 in der Mediziner-Mensa statt; im Folgejahr wurde sie im Palais Pallavicini und in den Jahren danach in den Sophiensälen veranstaltet. Seit 1959 findet die Redoute ausschließlich (wieder) in der Hofburg statt. Der Faschingsmontag ist der traditionelle Termin geblieben und die Redoute wurde seither ein einziges Mal verschoben; nachdem Bundespräsident Schärf 1965 am Faschingssonntag verstorben war, fand die Redoute nach Ostern statt.

Die Instandsetzungsarbeiten in der Bude in der Ebendorferstraße zogen sich länger hin und erst am 6.11.1951 wurde sie durch AH Leopold Hauck eingeweiht. Doch schon bald zeigte sich, dass diese Bude zu klein war - die Aktivitas wuchs infolge starker Rezeptionsjahrgänge merklich an. Die Kleinheit wirkte sich auch auf die Präsenz negativ aus, der 1961 angeschaffte Kühlschrank konnte diesen Mangel an Attraktivität nicht beseitigen. Größere Veranstaltungen wie Kneipen mussten ohnehin außer Haus abgehalten werden.

Im Jahr 1963 wurde dann eine neue Bude angekauft (und nicht - wie bisher - gemietet), und zwar in der Singerstraße 12; sie wurde kurz vor dem 65. Stiftungsfest am 8.6.1963 eingeweiht. Sie war geräumig genug für den Budenbetrieb, doch lag sie in einem Mehrparteienwohnhaus, sodass Kneipen - nicht wegen des Platzmangels, sondern wegen der Lärmbelästigung - zumeist erst recht wieder nicht auf der Bude stattfanden, sondern außer Haus (in verschiedenen Gasthäusern, oft im "Martin-Schlössl"). Die Bude wurde 1969/70 grundlegend umgebaut. Die Präsenz der Bundesbrüder - auch außerhalb von Veranstaltungen - war auf dieser Bude dann aber jahrelang außergewöhnlich hoch.

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Umbrüche

In den 1960er-Jahren kam es in ganz Westeuropa zu großen gesellschaftspolitischen Umbrüchen. Eine starke Wirkung hatte sicher das 2. Vatikanische Konzil, das zu einer großen Aufbruchsstimmung führte, insbesondere im katholischen Bereich. In der Politik trat (nicht immer ganz freiwillig) die Gründergeneration der Zweiten Republik ab; in der ÖVP setzte sich der Flügel der Reformer durch - an der Spitze AH Josef Klaus, der 1964 Bundeskanzler wurde und 1966 eine Alleinregierung bilden konnte. Viele der damals aufgeworfenen gesellschaftspolitischen Fragen werden heute unter dem Wort "68er-Bewegung" zusammengefasst, was zwar nicht ganz falsch ist, dieser aber ein eindeutiges Programm (oder gar eine einheitliche Organisation) unterstellen würde; eine bloße Reduktion auf das Jahr 1968 greift aber viel zu kurz.

Diese Strömungen machten vor der Verbindung nicht Halt. Am harmlosesten war noch die Frage, ob Couleur zum Rollkragenpullover getragen werden könne, was hitzige Debatten am BC nach sich zog. Die Frage ist mittlerweile aufgrund geänderter modischer Vorstellungen faktisch obsolet geworden; sie war aber nur ein nach außen sichtbares Ereignis, dessen Wurzeln viel tiefer gingen.

Der Konflikt entzündete sich dann an der Verbindungszeitschrift – den Rudolfinenblättern. Diese wurden nicht ganz zu Unrecht als fades "Hofberichterstattungsorgan" empfunden. Einige Aktive begannen daher an einem Konkurrenzblatt zu arbeiten, das auch für kontroversielle Meinungen offen sein sollte. Dieses Blatt erhielt den Namen "Thesen" und die Kosten für den Druck und Versand der ersten Ausgabe, die übrigens anonym erschien, wurden durch Spenden gedeckt, die die Proponenten gesammelt hatten. Die von ihrem Informationsmonopol entmachteten Funktionäre versuchten vergeblich, weitere Ausgaben zu unterbinden. Die Zeit war allerdings reif für eine entstaubte Verbindungszeitschrift geworden. Als Kompromiss wurden letztlich beide Blätter eingestellt und als neues Nachfolgeblatt erschien fortan der "Kontakt", dem ein eigener Redakteur vorsteht, der von der Rudolfinentagung (dem Cumulativconvent) gewählt wird. Im Vergleich zu anderen Verbindungen waren diese Auseinandersetzungen jedoch harmlos.

In der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre waren Podiumsdiskussionen beliebte Veranstaltungen, die in der Öffentlichkeit durchaus auf Resonanz stießen, wenn verschiedene Standpunkte zur Sprache kamen (auch dies ein neuer Zug der Zeit, den zuvor waren Diskussionsveranstaltungen in- und außerhalb des ÖCV eher Indoktrinationsveranstaltungen). So setzte Rudolfina hier mit dem "Kolloquium Austriacum" im Oktober 1967 ein Zeichen. Dieses war eine einwöchige Vortragsreihe im Audimax, vormittags und nachmittags mit prominenten Vertretern aus ganz Europa und den USA, die nicht immer die Weltanschauung des CV vertaten, aber auf hohem Niveau diskutierten.

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